Reumann: Defizit-Sockel verfestigt sich und Einrichtungen blicken pessimistisch in die Zukunft
„Die Zahlen aus den Gewinn- und Verlustrechnungen zeigen, dass die wirtschaftliche Lage der Gesundheitseinrichtungen im Land auch 2014 weiter unbefriedigend ist“, fasst der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Thomas Reumann, zentrale Ergebnisse des 10. BWKG-Indikators (2/2014) zusammen. 42,9 % der Krankenhäuser, 43,3 % der Reha-Einrichtungen und 36,7 % der Pflegeeinrichtungen erwarten für das Jahr 2014 ein Defizit. Damit verfestigt sich bei den Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen ein Defizit-Sockel von deutlich über 40 %. „Der pessimistische Blick in die Zukunft zeigt zudem, dass die Verantwortlichen mit Sorge auf die geplanten Reformen blicken“, so Reumann.
Um die Rahmenbedingungen für die Krankenhäuser grundlegend neu zu strukturieren, hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe soeben ihre Eckpunkte vorgelegt. „Die Bewertung der Eckpunkte fällt gemischt aus“, so der Vorstandsvorsitzende, der auch Reutlinger Landrat ist. Es gäbe durchaus positive Punkte, aber auch solche, an denen noch intensiv gearbeitet werden müsse. Die angekündigte nachhaltige Krankenhausreform sei in den Eckpunkten allenfalls in Schemen erkennbar. Klar sei, dass die Krankenhäuser bereit seien, aktiv an der Weiterentwicklung dieser Diskussionsgrundlage mitzuarbeiten.
Positiv sei, dass sich die Betriebskostenfinanzierung besser an den tatsächliche Kosten orientieren solle – allerdings werde es spürbare Effekte frühestens 2018 geben. Begrüßt werde außerdem die Finanzierung von Mehrkosten, die durch Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses entstehen würden. Zugestimmt werden könne auch dem Pflegestellenförderprogramm, mit dem die angespannte Personalsituation in den Krankenhäusern abgemildert werden solle. Allerdings sollte das Pflegestellenförderprogramm möglichst bürokratiearm umgesetzt werden. „Unter dem Strich bleibt die Feststellung, dass es bei der Finanzierung der Betriebskosten zwar Verbesserungen gibt, das Problem der Unterfinanzierung wird aber nicht gelöst. Genau das muss aber angesichts eines Defizit-Sockels von über 40 % bei den Krankenhäusern das Ziel sein“, macht Reumann deutlich.
Grundsätzlich positiv sehen die Krankenhäuser auch den nunmehr beschlossenen Investitionsfonds. „Wichtig ist, dass unter ,Strukturmaßnahmen‘ nicht einfach Kapazitätsabbau verstanden wird“, unterstreicht der Vorstandsvorsitzende. Der Investitionsfonds greife mit seinem Gesamtvolumen von einer Milliarde Euro aber zu kurz: Bundesweit werde der Investitionsbedarf der Krankenhäuser auf 6 Milliarden Euro im Jahr beziffert, finanziert würden aber gerade einmal 2,7 Milliarden Euro. „Bund und Länder müssen gemeinsam die Verantwortung für die Investitionen in den Krankenhäusern übernehmen“, so Reumann. Hier müsse noch dringend nachgebessert werden.
„Den Umgang der Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit dem Thema Mehrmengen sehen wir zweischneidig“, betont Reumann. Es sei gut, dass die Preise eines Krankenhauses nicht mehr abgesenkt werden sollen, wenn die Menge im Nachbarkrankenhaus zunimmt. Diese Erkenntnis müsse allerdings auch für die Psychiatrischen Krankenhäuser umgesetzt werden. „Gleichzeitig muss daran erinnert werden, dass das DRG-System auf einem Qualitätswettbewerb basiert, bei dem sich das beste Krankenhaus am Markt durchsetzt, weil sich die Patienten gemeinsam mit ihrem Arzt gerade für dieses Krankenhaus entscheiden. Wenn die Bundesregierung diesen Qualitätswettbewerb will, muss es sich dann aber für die Krankenhäuser auch lohnen, diese Mehrleistungen zu erbringen“, so Reumann.
„Richtig ist es, die Qualität im Krankenhaus ganz oben auf die Agenda zu setzen“, so Reumann. Im Eckpunktepapier entstehe aber der Eindruck, dass „Qualität im Krankenhaus“ ein völlig neues Thema sei. „Das Eckpunktepapier blendet aus, dass die Qualität der Behandlung und die Patientensicherheit die Kernkompetenzen der Krankenhäuser sind und schon viel erreicht wurde, auf dem aufgesetzt werden kann“, macht Reumann klar. Es wird deshalb darauf ankommen, die bestehenden Instrumente der gesetzlichen und der freiwilligen Qualitätssicherung zu analysieren, zu bewerten, und hierauf aufzubauen. Ein immer mehr an Indikatoren, Verfahren und Auflagen bringe nicht unbedingt mehr Qualität, koste aber Geld und Zeit, die letztlich beim Patienten fehlen. Es müsse ein wissenschaftlich belegbarer Mehrwert erkennbar sein. „An diesem Punkt muss noch intensiv über den richtigen Weg diskutiert werden“, so Reumann.
Auch die wirtschaftliche Situation der Reha-Einrichtungen ist nach wie vor problematisch. 43,3 % der Einrichtungen werden das Jahr 2014 mit roten Zahlen abschließen. Trotz der unbestritten positiven Wirkung gibt es von Seiten der Politik keine Aktivitäten, um die Situation durchgreifend zu verbessern. „Eine gute Reha macht viele Patientinnen und Patienten wieder fit für Alltag, Familie und Beruf“, so Matthias Einwag, der Hauptgeschäftsführer der BWKG. Trotzdem werden Jahr für Jahr rund 50.000 Reha-Anträge in Baden-Württemberg abgelehnt und es gibt kein Verfahren, um die Vergütung der Reha-Kliniken fair zu vereinbaren. Hier setzt die landesweite BWKG-Reha-Kampagne mit dem Motto „Umsonst ist keine Reha.“ an. Mit ihr werben BWKG und die baden-württembergischen Reha-Kliniken für eine konsequente Politik zugunsten der Reha (www.umsonst-ist-keine-reha.de). Die BWKG fordert:
1. Eine Reha muss schnell und einfach beantragt werden können. Im Fall einer Ablehnung müssen die Gründe dem Betroffenen transparent gemacht werden.
2. Keine Reha-Steuerung nach Kassenlage: Jede medizinisch notwendige Reha muss finanziert werden. Die weiterhin bestehende Budgetierung der Reha-Ausgaben der Rentenversicherung muss aufgehoben werden. Es muss einen finanziellen Ausgleich zwischen der Pflege- und der Krankenversicherung geben.
3. Die aktuellen Vergütungssätze reichen nicht, um die notwendigen Reha-Leistungen zu finanzieren. Wir fordern ein Gesetz, das endlich die gerechte Vergütung von Reha-Leistungen festschreibt!
Bei den geriatrischen Reha-Einrichtungen schrieben sogar 65 % der Einrichtungen 2014 rote Zahlen. Die finanzielle Situation der geriatrischen Reha-Einrichtungen hat sich damit auf weiter schlechtem Niveau leicht verbessert. „Auf dieser Basis wird sich das Geriatrie-Konzept des Landes mit seiner wohnortnahen Versorgung nicht langfristig sichern lassen“, unterstreicht der Hauptgeschäftsführer.
Die wirtschaftliche Situation der Pflegeeinrichtungen ist nach wie vor schwierig. 36,7 % der Pflegeeinrichtungen haben das Jahr 2014 mit roten Zahlen abgeschlossen. Außerdem haben die Pflegeeinrichtungen große Schwierigkeiten, Pflegefachkräfte zu finden. „Es ist alarmierend, wenn 82,5 % der Pflegeeinrichtungen sich schwer damit tun, das notwendige Fachpersonal zu finden. „Besonders problematisch ist, wenn uns 47,7 % der Pflegeeinrichtungen sagen, dass sie Schwierigkeiten haben, Altenpflegeschüler zu finden“, so Einwag. Es sei dringend erforderlich, dass die Rahmenbedingungen für die Pflegeeinrichtung so gestaltet werden, dass sie auch in Zukunft qualifiziertes Personal an sich binden können.
Auch die Pflege-Enquete des baden-württembergischen Landtags hat sich kürzlich mit dem Thema Aus-, Weiter- und Fortbildung von Altenpflegepersonal befasst. „Aus unserer Sicht muss in der Diskussion über eine generalistische Pflegeausbildung darauf geachtet werden, dass ein deutlicher Ausbildungsschwerpunkt im Bereich der Altenpflege gesetzt werden kann“, so der Hauptgeschäftsführer. Ansonsten sei der demografische Wandel in der Altenpflege genauso wenig zu bewältigen wie in den Krankenhäusern und den Reha-Kliniken.
Bei der Umfrage zum BWKG-INDIKATOR befragt die BWKG die Geschäftsführer der Mitgliedseinrichtungen (Krankenhäuser, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen) halbjährlich zu ihrer Einschätzung der wirtschaftlichen Situation und der Arbeitsmarktentwicklung. Das Ergebnis des BWKG-Indikators 2/2014 ist als Anlage beigefügt.