Einwag: „Es reicht! –Sofortiger Kurswechsel der Krankenhauspolitik im Bund erforderlich“
„Die Folgen der Corona-Pandemie belasten die Krankenhäuser weiterhin und in dieser Situation trifft sie die aktuelle Kostenexplosion mit voller Wucht. Denn während Energieversorger, Medizinprodukthersteller, Lebensmittellieferanten und Dienstleister durchgängig ihre Preise erhöhen, bleiben die Kliniken bisher auf den immensen Zusatzkosten sitzen. Wir reden hier von 640 Millionen Euro im Land, wie eine Umfrage der BWKG ergeben hat. Das bezahlt niemand aus der Portokasse“, so Matthias Einwag, Hauptgeschäftsführer der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG). Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben konnten die Krankenhausvergütungen in 2022 nur um + 2,3 % steigen und unterjährige Preiserhöhungen seien nicht möglich. Auch ein Nachholen im kommenden Jahr sei gesetzlich nicht vorgesehen. Die Krankenhäuser haben keine Reserven mehr und 61 % von ihnen rechnen nach den Zahlen des BWKG-Indikators für 2022 mit roten Zahlen.
„Es reicht! Die Krankenhäuser benötigen jetzt sofort einen Inflationsausgleich in Form eines Rechnungsaufschlags von 4 % und das Wiederanlaufen der Corona-Hilfen“, fordert Einwag. Die Bundespolitik müsse einen grundlegenden Kurswechsel vollziehen. Anstatt die Krankenhäuser in die Unterfinanzierung zu treiben und mit überzogenen Coronaauflagen, Impfpflichten und Datenmeldungen zu belasten, müsse es endlich eine unterstützende Krankenhauspolitik vom Bund geben. Denn nur so könnten diese ihren Versorgungsauftrag erfüllen, attraktiver Arbeitgeber bleiben und finanziell über die Runden kommen. Aktuell stehen die Krankenhäuser durch die Kostenexplosion aber vor einer unlösbaren Aufgabe. Mit der bundesweiten Aktion „Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Gefahr“ wird die schwierige wirtschaftliche Lage der einzelnen Krankenhäuser deutlich gemacht und schnelle Lösungsvorschläge von der Politik gefordert. An der Aktion beteiligen sich auch viele baden-württembergische Krankenhäuser.
So skizziert Prof. Dr. Jan Steffen Jürgensen, Vorstandsvorsitzender des Klinikums Stuttgart, die aktuelle Situation wie folgt: „Die Einkaufspreise steigen auf breiter Front und sogar langfristig gültige Rahmenvereinbarungen werden gekündigt. Von Energiekosten über Medizinprodukte bis hin zu Lebensmitteln sehen wir erhebliche Kostensteigerungen, die in den regulierten trägen Preisbildungsmechanismen für die Leistungen der Krankenhäuser nicht annähernd aufgefangen werden. Die Schere zwischen Kosten des Krankenhausbetriebs und der Vergütung geht weiter auseinander und wird von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) ohne Gegenmaßnahmen für 2023 mit 10 Milliarden Euro beziffert. Bereits der Ausgangspunkt mit einer systematischen Unterfinanzierung der Kinderheilkunde und Notfallversorgung war kritisch – und das Klinikum Stuttgart mit Deutschlands größter Kinderklinik und 100.000 Notfallpatienten pro Jahr bereits belastet. Die bisher nicht kompensierten Preissteigerungen erhöhen den Handlungsdruck nochmals deutlich. Konkrete Vorschläge der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung liegen auf dem Tisch, müssen aber auch pragmatisch und zügig politisch umgesetzt werden. Enorme Potenziale zur mittelfristigen Steigerung der Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Optimierung der Abläufe durch Digitalisierung liegen auf der Hand, erfordern aber auskömmliche Investitionsspielräume, die mit der aktuellen Entwicklung beschnitten werden.“
Die Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums Tübingen, Gabriele Sonntag, betont: „Für die Zukunft der medizinischen Versorgung der Menschen ist es essentiell, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerne bei uns arbeiten. Der generelle Fachkräftemangel wird aber nicht nur durch die coronabedingten Ausfälle, sondern auch durch die Überlastung mit Bürokratie und einem wachsenden Misstrauen der Politik immer weiter verschärft. Zu wenig Personal hat schon zur Absage von zahlreichen Operationen und Behandlungen geführt. Es gibt Wartelisten und diese werden länger. Was das für eine Belastung für die Betroffenen bedeutet, kann man sich nur schwer vorstellen. Absolut demotivierend ist, dass der Bundesgesetzgeber ganz aktuell die Corona-Vorgaben für die Krankenhausmitarbeiterinnen und -mitarbeiter ohne Grund verschärft. Ab sofort wird ihnen nicht mehr zugetraut, sich zu Hause zu testen. Sie müssen das unter Aufsicht tun und demnächst gelten auch noch höhere Anforderungen, um als ausreichend geimpft zu gelten. Und das, obwohl die Impflicht Ende des Jahres ausläuft.“
Richard Wentges, der Vorstandsvorsitzende der ViDia Christliche Kliniken in Karlsruhe, macht deutlich: „Wirtschaftliche Schwierigkeiten sind schon in der Coronapandemie entstanden, weil die Klinikfinanzierung an der Anzahl der behandelten Patienten hängt. Der Personalmangel hat aber zu einem Rückgang der Leistungen geführt und das hat sinkende Umsätze zur Folge. Der Vor-Corona-Umsatz kann so gar nicht erreicht werden und es muss einen echten Ganzjahresausgleich geben – für 2022 und für 2023. Wir haben diese Probleme, obwohl die ViDia-Kliniken in moderne Strukturen investiert haben. In unserem Klinikneubau werden die Patientinnen und Patienten nach den neuesten Erkenntnissen behandelt und die organisatorischen Abläufe wurden optimiert. Wir investieren also in gute Strukturen, die dann nicht finanziert werden. Das kann nicht sein! Gerade wir als freigemeinnütziges Krankenhaus haben keine Reserven mehr und auch keinen Träger, der einspringen könnte.“
„Eine weitere Verschärfung der Rahmenbedingungen für die Krankenhäuser tritt ganz kurzfristig am 17.09.2022 in Kraft. Die überaus bürokratischen Meldungen zur Belegung der Betten in den Krankenhäusern (DEMIS) treten in Kraft, obwohl bekannt ist, dass diese Meldungen frühestens ab 01.01.2023 automatisch erfolgen können, weil komplizierte Anpassungen der IT-Systeme der Kliniken notwendig sind. Trotzdem werden den Kliniken ab dem 17.09.2022 hohe Strafzahlungen angedroht, falls sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen“, so Einwag zur fortgesetzten Gängelung der Krankenhäuser. So viel Frust habe er noch nie bei den Krankenhäusern und ihren Mitarbeitern wahrgenommen. Dies könne den Personalmangel weiter verschärfen.
Beschreibung der Fotos:
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Alarmstufe Rot im Klinikum Stuttgart
Bildquelle: BWKG/KD Busch
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von links: Richard Wentges (ViDia Kliniken Karlsruhe), Prof. Dr. Jan Steffen Jürgensen (Klinikum Stuttgart), Matthias Einwag (BWKG), Gabriele Sonntag (Universitätsklinikum Tübingen)
Bildquelle: BWKG/KD Busch
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von links: Richard Wentges (ViDia Kliniken Karlsruhe), Prof. Dr. Jan Steffen Jürgensen (Klinikum Stuttgart), Matthias Einwag (BWKG)
Bildquelle: BWKG/KD Busch
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Matthias Einwag (BWKG)
Bildquelle: BWKG/KD Busch
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Gabriele Sonntag (Universitätsklinikum Tübingen)
Bildquelle: BWKG/KD Busch
Alarmstufe Rot – Tour des Infomobils der deutschen Krankenhäuser
Zwischen dem 05. und 29.09.2022 treten die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die 16 Landeskrankenhausgesellschaften gemeinsam an die Öffentlichkeit, um auf die prekäre wirtschaftliche Lage vieler Krankenhäuser vor dem Hintergrund von Inflation und Pandemie aufmerksam zu machen. Die Krankenhäuser fordern dabei vor allem einen Inflationsausgleich, um kurzfristig wirtschaftlich handlungsfähig zu bleiben. Die Aktion findet in unterschiedlicher Form in allen Bundesländern statt.
Ihre Ansprechpartnerin:
Annette Baumer
Referentin für Presse und Politik
Tel.: 0711 25777-45, baumer@bwkg.de