Piepenburg: Bund und Land müssen handeln
Investitionen dürfen nicht gekürzt werden
„Die Gesundheitseinrichtungen im Land haben immer größere Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden - vor allem im Pflegbereich“, fasst der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Detlef Piepenburg, zentrale Ergebnisse des aktuellen BWKG-Indikators (1/2017) zusammen. Rund 60 % der Krankenhäuser und fast 79 % der Reha-Kliniken haben beim BWKG-Indikator angegeben, dass sie Schwierigkeiten haben, freie Stellen im ärztlichen Dienst neu zu besetzen. 63 % der Reha-Kliniken, 64 % der Krankenhäuser und sogar 86 % der Pflegeeinrichtungen haben Schwierigkeiten, freie Stellen mit Pflegefachkräften zu besetzen. Noch nie haben so viele Geschäftsführer Probleme bei der Stellenbesetzung im Pflegebereich angezeigt.
„Um dem zunehmenden Mangel an Personal begegnen zu können, muss die Bundes- und die Landespolitik schnell handeln und ein ganzes Bündel an Maßnahmen ergreifen“, fordert der Vorstandsvorsitzende, der gleichzeitig Landrat des Kreises Heilbronn ist. Neben mehr Medizinstudienplätzen und einer schnelleren Anerkennung von ausländischen Fachkräften durch das zuständige Regierungspräsidium muss die Finanzierung genauso auf die Tagesordnung wie die zukunftsfähige Gestaltung des neuen Pflegeberufs.
„Das soeben verabschiedete Pflegeberufereformgesetz führt zu einer Art gigantischem Feldversuch mit ungewissem Ausgang“, so Piepenburg. Denn die zukünftigen Ausbildungsinhalte, die Ausbildungsstruktur und die Finanzierung wurden im Gesetz nicht festgelegt. Die notwendigen Verordnungen sollen erst später folgen. Hier müsse die neue Bundesregierung schnell handeln, um den Auszubildenden und den Einrichtungen die notwendige Sicherheit zu geben.
„Der Pflegeberuf kann nur dann attraktiv gestaltet werden, wenn die überdurchschnittlichen Lohnkosten im Land finanziert werden“, stellt Piepenburg klar. Nach den Zahlen des BWKG-Indikators hätten aber rund 45 % der Krankenhäuser im Land das Jahr 2016 mit roten Zahlen abgeschlossen. Die Krankenhäuser im Land litten darunter, dass Kostenstrukturunterschiede zwischen den Bundesländern im deutschen Krankenhausfinanzierungssystem weitgehend unberücksichtigt blieben. Es müsse im Gesetz klar verankert werden, dass das im Bundesvergleich überdurchschnittliche Lohnniveau bei der Festlegung der Krankenhauserlöse berücksichtigt wird.
Die Krankenhäuser brauchen aber nicht nur bei den Betriebskosten, sondern auch bei den Investitionen eine bessere Finanzausstattung. „Es kann nicht sein, dass das Land seine Krankenhausinvestitionen kürzt, während der Bedarf steigt“, so der Vorstandsvorsitzende. Die Investitionsmittel müssten weiter aufgestockt werden. Denn sie lägen trotz der Erhöhungen der vergangenen Jahre noch immer deutlich unter dem erforderlichen Niveau. „Die Krankenhäuser haben einen Rechtsanspruch auf die Finanzierung der Investitionen. Da kann sich das Land nicht einfach wegducken“, so der Vorstandsvorsitzende. Der geforderte Strukturwandel koste Geld. Die Modernisierung der Krankenhäuser, etwa um die Digitalisierungsstrategie des Landes umzusetzen, müsse finanziert werden. Daher müsse das Land die Investitionsförderung, insbesondere auch die Pauschalförderung, weiter erhöhen.
Auch die wirtschaftliche Situation der Reha-Einrichtungen ist nach wie vor problematisch. Rund 46 % der Reha-Einrichtungen schrieben in 2016 rote Zahlen. „Es wird Zeit, die Rahmenbedingungen für die medizinische Rehabilitation tatsächlich zu verbessern und sich nicht weiter auf Programmsätze zu beschränken“, fordert der Hauptgeschäftsführer der BWKG, Matthias Einwag. So warte der Slogan „Rehabilitation vor Pflege“ schon lange auf seine konkrete Umsetzung, etwa durch einen finanziellen Ausgleich zwischen der Kranken- und der Pflegeversicherung.
„Die positiven Effekte einer guten medizinischen Reha sind mittlerweile allgemein anerkannt“, so Einwag weiter. Dennoch blieben Menschen, die von einer Reha profitieren könnten, noch immer im Antragsdickicht stecken. Über notwendige Reha-Maßnahmen werde teilweise weiter nach Kassenlage entschieden und die Finanzierung der Reha-Kliniken sei nach wie vor unzureichend. „Auf eine leistungsorientierte Vergütung, die auch die Investitionskosten umfasst, warten die Kliniken bislang vergeblich“, so Einwag.
„Wir erwarten von der grün-schwarzen Landesregierung, dass sie die im Koalitionsvertrag angekündigten Bundesratsinitiativen für die medizinische Reha schnell auf den Weg bringt“, fordert Einwag. Dies seien eine Bundesratsinitiative zur Verankerung eines Rechtsanspruchs der Reha-Einrichtungen auf eine leistungsorientierte Vergütung im SGB V und SGB IX sowie eine weitere zur Umsetzung einer Mitverantwortung der sozialen Pflegeversicherung für die geriatrische Rehabilitation.
Bei den Pflegeeinrichtungen hat sich die wirtschaftliche Situation etwas verbessert. Dennoch haben 24,4 % der Pflegeeinrichtungen das Jahr 2016 mit roten Zahlen abgeschlossen. Die Vielzahl der Reformen hat den Pflegeeinrichtungen, ihren Mitarbeitern, aber auch den Pflegebedürftigen viel abverlangt. So galt und gilt es, Unklarheiten über den neuen Pflegebegriff zu beseitigen. Der Ersatz von Pflegstufen durch Pflegegrade hat zur Folge, dass die Personalschlüssel angepasst werden müssen. Ansonsten droht ein Personalabbau in den Einrichtungen. Die Selbstverwaltungspartner im Land konnten sich aber nicht auf neue Personalschlüssel einigen. Nun drohe ein langes Gerichtsverfahren, das zu Lasten des Personals und damit der Pflegebedürftigen gehen wird.
„Viele Menschen haben den Wunsch, möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben zu können. Allerdings gibt es für die ambulante Pflege auch Grenzen“, so Einwag. Hier seien die veränderten Familienstrukturen und die Wünsche der Pflegebedürftigen zu berücksichtigen. Die Menschen brauchen eine Wahlmöglichkeit zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Hierzu muss das Angebot aber auch vorhanden sein. Aktuell ist allerdings damit zu rechnen, dass stationäre Pflegeplätze infolge der Umsetzung der Landesheimbauverordnung abgebaut werden. So geht das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung davon aus, dass allein aufgrund der Einzelzimmervorgabe 17.700 stationäre Pflegeplätze abgebaut werden – das sind im Vergleich zu den Ende 2015 vorhandenen Pflegeplätzen rund 17 %. Dass diese Zahl nicht aus der Luft gegriffen ist, hat eine entsprechende Frage beim BWKG-Indikator gezeigt, die zu ganz ähnlichen Ergebnissen geführt hat.
„Hier kann und muss das Land gegensteuern. Ansonsten könnten Kapazitäten abgebaut werden, die in der Zukunft vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung dringend benötigt werden“, stellt Einwag klar. Als Voraussetzung für einen Ausbau der Angebote müssten die bestehenden Sektorengrenzen zwischen stationärer und ambulanter Pflege weiter abgebaut werden.
Bei der Umfrage zum BWKG-INDIKATOR befragt die BWKG die Geschäftsführer der Mitgliedseinrichtungen (Krankenhäuser, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg) halbjährlich zu ihrer Einschätzung der wirtschaftlichen Situation und der Arbeitsmarktentwicklung. Das Ergebnis des BWKG-Indikators 1/2017 ist als Anlage beigefügt.
Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft e.V. (BWKG) ist ein Zusammenschluss von 449 Trägern mit 208 Krankenhäuser, 124 Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sowie 581 Pflegeeinrichtungen (davon 77 ambulante Pflegedienste und 38 Einrichtungen der Behindertenhilfe) die über insgesamt 115.693 Betten/Plätze sowie ambulante Behandlungskapazitäten verfügen. Die Einrichtungen beschäftigen über 190.000 Mitarbeiter. Die BWKG wurde 1953 von den vier regionalen Krankenhausverbänden und –arbeitsgemeinschaften gegründet, die es damals auf dem Gebiet des heutigen Landes Baden-Württemberg gab. Sie steht Einrichtungen unabhängig von deren Rechtsform und Trägerstruktur offen. Die Mitgliedschaft ist freiwillig.
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