28.12.2017

BWKG-INDIKATOR 2/2017 - Krankenhäuser leiden unter fehlender Finanzierung des hohen Lohnniveaus

Piepenburg: Neue Bundesregierung muss bei Finanzierung und Fachkräftesicherung schnell handeln

„Die Krankenhäuser im Südwesten beurteilen ihre aktuelle wirtschaftliche Situation so schlecht wie bislang noch nie“, erläutert der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Detlef Piepenburg, eines der zentralen Ergebnisse des BWKG-Indikators (2/2017). 44,6 % der Klinik-Geschäftsführer bezeichneten die wirtschaftliche Situation als schlecht, nur 14,9 % sehen sich in einer guten wirtschaftlichen Lage. Dementsprechend erwarten 51 % der Kliniken, dass sie das Jahr 2017 mit roten Zahlen abschließen werden. „Die neue Bundesregierung muss hier schnellstmöglich gegensteuern. Es muss im Gesetz klar verankert werden, dass das überdurchschnittliche Lohnniveau im Land in den Krankenhauserlösen berücksichtigt werden muss“, fordert Piepenburg. Pro Patient liegen die Kosten der Kliniken im Südwesten allein aufgrund der höheren Löhne fast 100 Euro über dem Bundesdurchschnitt. Die Erlöse für die Klinik-Leistungen liegen aber unter dem Bundesdurchschnitt. „Überdurchschnittliche Kosten und unterdurchschnittliche Erlöse – das muss beendet werden!“ unterstreicht Piepenburg. Das Geld dafür sei vorhanden. Schließlich führten überdurchschnittlich hohe Löhne der Klinikbeschäftigten auch zu überdurchschnittlich hohen Beiträgen zur Krankenversicherung.

„Die qualitativ hochwertige Behandlung und Pflege der Menschen in den Krankenhäusern, Reha- und Pflegeeinrichtungen ist nur mit einer ausreichenden Zahl an qualifiziertem und motiviertem Personal möglich“, ergänzt der Vorstandsvorsitzende, der gleichzeitig auch Landrat des Kreises Heilbronn ist. Die Umfrageergebnisse zeigten sehr deutlich, dass die Gesundheitseinrichtungen im Land schon heute erhebliche Probleme hätten, ausreichend Pflegekräfte und Ärzte zu finden. Fast 70 % der Krankenhäuser, 66 % der Reha-Kliniken und 83 % der Pflegeeinrichtungen haben beim BWKG-Indikator angegeben, Schwierigkeiten zu haben, freie Stellen mit Pflegefachkräften zu besetzen. Rund 64 % der Krankenhäuser und fast 73 % der Reha-Kliniken geben an, dass sie Schwierigkeiten haben, freie Stellen im ärztlichen Dienst neu zu besetzen.

„Wir hoffen, dass eine neue Bundesregierung bald ihre Arbeit aufnehmen kann. Denn sie muss schnell aktiv werden und die Weichen für eine gute Zukunft der Gesundheitsversorgung richtig stellen“, fordert Piepenburg. Die Gesundheitseinrichtungen seien auf dem engen Arbeitsmarkt im Land nur dann konkurrenzfähig, wenn sie attraktive Arbeitsbedingungen bieten könnten. Hierzu gehörten neben einer guten Bezahlung und ausreichend Personal auch planbare Arbeitszeiten, Aufstiegs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten, keine belastende Arbeitsverdichtung sowie der Abbau unnötiger Bürokratie.

„Die neue „generalistische Pflegeausbildung“ wurde im vergangenen Jahr zwar grundsätzlich beschlossen. Es fehlen aber noch viele genauere Bestimmungen“, so Piepenburg. Die finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen müssten schnell festgelegt und so ausgestaltet werden, dass die bislang überdurchschnittlichen Ausbildungskapazitäten in Baden-Württemberg bestehen bleiben. Das müsse schnell geschehen, damit keine Unsicherheiten entstehen und sich Interessierte für andere Berufe entschieden. Und um sicherzustellen, dass künftig ausreichend Ärzte ausgebildet werden, muss sich die neue Bundesregierung für eine Erhöhung der Zahl der Studienplätze in der Humanmedizin einsetzen.

„Ganz wichtig ist es auch, den dringend notwendigen Bürokratieabbau endlich anzugehen“, so Piepenburg. Denn die Mitarbeiter der Krankenhäuser, Reha-Kliniken und Pflegeeinrichtungen verbringen einen stetig wachsenden Teil ihrer Arbeitszeit mit der Dokumentation. Diese Zeit fehlt für die Behandlung und Pflege der Patienten und führt zu einer sinkenden Arbeitszufriedenheit. Die BWKG fordert ein bundesweites Programm zum Abbau des bürokratischen Aufwands. Mit ihm soll der Dokumentationsaufwand um 50% reduziert und der Anteil der Arbeitszeit, der für Dokumentation und Bürokratie aufgewandt wird, auf maximal 20 % begrenzt werden.

„Auch zusätzliche Pflegefachkräfte aus dem Ausland können dazu beitragen, dem wachsenden Bedarf zu begegnen“, ist sich der BWKG-Vorstandsvorsitzende sicher. Allerdings seien die bürokratischen Hürden hier noch immer sehr hoch und das Anwerben aus dem Ausland extrem zeitaufwändig. Die BWKG appelliert an die Verantwortlichen auf der Bundes- und der Landesebene, diese Hemmnisse zügig abzubauen.

„Die positiven Wirkungen einer guten Reha sind allseits bekannt. Es wird Zeit, die Rahmenbedingungen für die medizinische Rehabilitation tatsächlich zu verbessern“, fordert der Hauptgeschäftsführer der BWKG, Matthias Einwag. So warte der Slogan „Rehabilitation vor Pflege“ noch immer auf seine konkrete Umsetzung. Diese könne beispielsweise durch einen finanziellen Ausgleich zwischen der Kranken- und der Pflegeversicherung erfolgen. Außerdem müsse der Zugang zur Rehabilitation durch eine Vereinfachung der Antragsverfahren erleichtert werden. Erforderlich sei hier vor allem eine Vereinheitlichung.

Nach dem BWKG-Indikator 2/2017 gehen rund 40 % der Reha-Kliniken davon aus, dass das Jahr 2017 mit roten Zahlen enden wird. „Der Anspruch der Reha-Einrichtungen auf eine leistungsgerechte Vergütung muss umgehend im Gesetz verankert werden“, so Einwag. Damit müsse sichergestellt werden, dass die Kliniken ihre Investitionskosten und auch regional überdurchschnittliche Lohnkosten bei wirtschaftlicher Geschäftsführung finanzieren können.

Bei den Pflegeeinrichtungen rechnen etwa 20 % für 2017 mit roten Zahlen. Damit hat sich ihre wirtschaftliche Situation etwas verbessert. „Die aktuelle Situation ist eine Atempause und zeigt, dass die Verbesserungen durch die Pflege-Reformgesetze wirken. Diese Atempause muss genutzt werden, um die Pflegeeinrichtungen auch für die Zukunft gut aufzustellen“, unterstreicht der Hauptgeschäftsführer. So sollten die Effekte der zahlreichen Reformen der vergangenen Jahre genau beobachtet und bewertet werden. „Schon heute ist klar, dass der Schwerpunkt künftiger Reformen auf den Leistungen der Pflegeversicherung für die stationäre Pflege und der Kurzzeitpflege liegen muss. Sie haben bislang zu wenig Beachtung gefunden“, so Einwag. Angesichts der demografischen Entwicklung sei abzusehen, dass der Bedarf an stationärer Pflege steigen wird.

„Von ganz zentraler Bedeutung für die Pflegeeinrichtungen wird sein, dass sie den Pflegekräften attraktive und konkurrenzfähige Rahmenbedingungen bieten können“, ist sich Einwag sicher. Hier müssen auch die finanziellen Rahmenbedingungen und die Bezahlung des Pflegepersonals auf den Prüfstand.

 

Bei der Umfrage zum BWKG-INDIKATOR befragt die BWKG die Geschäftsführer der Mitgliedseinrichtungen (Krankenhäuser, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg) halbjährlich zu ihrer Einschätzung der wirtschaftlichen Situation und der Arbeitsmarktentwicklung. Das Ergebnis des BWKG-Indikators 2/2017 ist als Anlage beigefügt.

 

 

Ihre Ansprechpartnerin:
Annette Baumer
Referentin für Presse und Politik
baumer@bwkg.de, Tel.: 0711 25777-45