Scheffold: Krankenhausschutzschirm 2021 absolut unzureichend – Krankenhäusern droht mitten in der Pandemie ein finanzielles Desaster – Pflegepersonal dringend gesucht
„Das Pandemiejahr 2021 droht für die Krankenhäuser zum finanziellen Desaster zu werden. Die Politik muss hier umgehend tätig werden, und zwar auf der Bundes- und der Landesebene“, macht der Vorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Heiner Scheffold, mit Blick auf die Ergebnisse des BWKG-Indikators 2/2021 deutlich. Die Krankenhausfinanzierung müsse ein hervorgehobenes Thema für die Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer am 09.12.2021 und für die neue Bundesregierung sein!
Nach den Ergebnissen des BWKG-Indikators rechnen 65 % der bis November befragten baden-württembergischen Krankenhausgeschäftsführungen damit, dass ihr Haus das Jahr 2021 mit roten Zahlen abschließen wird. Eine derartig hohe Defizitquote gab es noch nie bei den Indikator-Umfragen. „Inmitten einer Pandemie, in der die Krankenhäuser eine zentrale Rolle für die COVID-19 Patientinnen und Patienten einnehmen, lässt die Politik die Kliniken bisher finanziell im Regen stehen!“, stellt Heiner Scheffold fest.
Ein weiterer Höchstwert wird beim Indikator für den Fachkräftemangel erreicht: 92,6 % der Kliniken haben Schwierigkeiten, offene Stellen in der Pflege zu besetzen.
Im Rahmen des BWKG-Indikators werden die Geschäftsführer der BWKG-Mitgliedseinrichtungen seit Frühjahr 2010 regelmäßig zu ihrer Einschätzung der wirtschaftlichen Situation und zur Gewinnung von Fachkräften befragt.
Zu Beginn der Pandemie hat der aktuell noch geschäftsführende Bundesgesundheitsminister, Jens Spahn, versprochen, „dass entstehende wirtschaftliche Folgen für die Krankenhäuser ausgeglichen werden und kein Krankenhaus dadurch ins Defizit kommt“. „Die Krankenhäuser erwarten, dass die neue Bundesgesundheitsministerin oder der neue Bundesgesundheitsminister zu diesem Versprechen steht. Die Realität heute, 20 Monate nach Beginn der Pandemie, sieht leider anders aus, wie die BWKG-Umfrage zeigt. Die neue Bundesregierung muss umgehend handeln und den finanziellen Rahmen der Krankenhäuser schnell und nachhaltig absichern“, fordert Scheffold und fasst die Forderungen wie folgt zusammen: „Zum einen müssen die durch die Pandemie wegfallenden Erlöse aus der Patientenbehandlung für alle Krankenhäuser vollständig und nicht nur anteilig ausgeglichen werden. Zum anderen müssen die überdurchschnittlichen Kosten, die für die Behandlung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten entstehen, durch dauerhafte Erlöszuschläge finanziert werden. Und da die Pandemie nicht am 31.12.2021 enden wird, muss auch für das Jahr 2022 ein wirksamer Schutzschirm für die Finanzen der Krankenhäuser etabliert werden.“
„Die Umsetzung dieser Forderungen würde wichtige Finanzlücken aus der Patientenbehandlung schließen. Gleichzeitig würden aber noch weitere Defizitbereiche bestehen bleiben, denn viele Zusatzkosten und wegbrechende Erlöse in anderen Bereichen würden noch gar nicht erfasst“, so Scheffold weiter. Dies betreffe beispielsweise die fehlenden Erlöse von Privatpatienten, die zurückgegangenen Patientenzahlen in den Ambulanzen und die Einnahmeausfälle aus anderen Geschäftsfeldern (z. B. ambulante Physiotherapie, Parkhäuser, Cafeteria, usw.), die ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung des Krankenhausbetriebs leisten. Auch würden die Kliniken nach wie vor erheblich durch pandemiebedingte Zusatzkosten und -investitionen belastet. Deshalb sei es wichtig, dass auch das Land – wie im Jahr 2020 – einen finanziellen Beitrag zur Stabilisierung der Kliniken leiste, um sicherzustellen, dass die Krankenhäuser nicht auf den Kosten der Pandemie sitzen bleiben.
„Die bisherigen Maßnahmen des Bundesgesetzgebers sind unzureichend, da bislang nur 98 % des Leistungsniveaus abgesichert werden. Wenn ein Krankenhaus 2 % der Erlöse verliert, summiert sich das schnell zu einem Millionenbetrag“, ergänzt Scheffold. Der im Rahmen des gerade geänderten Infektionsschutzgesetzes eingeführte Versorgungsaufschlag habe eine kleine Verbesserung für die Krankenhäuser gebracht, die COVID-19-Patientinnen und -Patienten behandeln. „Das ist aber nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein“, betont Scheffold. Dafür sorge die überaus komplexe Gesetzeslage. Danach erhält ein Krankenhaus beispielsweise einen Versorgungsaufschlag von 7.800 Euro pro Coronafall. „Das klingt erstmal nicht schlecht. Am Jahresende bleibt dem Krankenhaus aber nur 15 % davon als Erlös. Das sind 1.170 Euro. Die restlichen 85 %, also 6.630 Euro helfen zwar kurzfristig bei der Liquidität, müssen aber durch komplizierte Verrechnungen wieder zurückgegeben werden“, erläutert Scheffold.
„In der vergangenen Woche hat die Landesregierung beschlossen, dass die Krankenhäuser 40 % ihrer Intensivkapazitäten für COVID-19-Patientinnen und Patienten bereithalten müssen. Wie die daraus folgenden finanziellen Belastungen ausgeglichen werden sollen, ist bislang nicht geklärt. Wer die Freihaltung von Betten anordnet, muss dies auch finanzieren“, so der Vorstandsvorsitzende weiter. Es sei mehr als überfällig, dass sich Bund und Länder zusammensetzen und tragfähige Lösungen für die Krankenhäuser für die Jahre 2021 und 2022 finden. Nicht vergessen werden dürften dabei auch die Krankenhäuser, die aufgrund ihres Leistungsspektrums keine COVID-19-Patienten behandeln, aber massive Einnahmeeinbrüche haben, da die Patientenzahlen pandemiebedingt dramatisch sinken. Dies gelte beispielsweise für psychiatrische Krankenhäuser und Fachkrankenhäuser, etwa in der Neurologie.
„Die Suche nach qualifiziertem Personal bleibt immer öfter erfolglos“, bringt Scheffold ein weiteres zentrales Ergebnis des aktuellen BWKG-Indikators (2/2021) auf den Punkt. 92,6 % der Krankenhäuser haben Probleme, Pflegekräfte zu finden. Seit dem Beginn der BWKG-Indikator-Befragungen im Jahr 2010 war es noch nie so schwierig, freie Stellen in der Pflege zu besetzten.
„Es muss alles getan werden, damit jeder, der eine Ausbildung zur Pflegefachkraft machen möchte, auch eine machen kann“, fordert Scheffold. Dafür müssen die Reha-Kliniken als Ausbildungsträger schnell zugelassen werden, wie das im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ja auch vorgesehen sei. Außerdem müsse es endlich möglich sein, dass ambulante Ausbildungsphasen auch in den Ambulanzen der Krankenhäuser absolviert werden können. Ausländische Fachkräfte müssen schneller anerkannt werden. „Ein ganz zentraler Baustein ist, dass der dringend notwendige Bürokratieabbau endlich angegangen werden muss. Denn die Mitarbeiter der Krankenhäuser, Reha-Kliniken und Pflegeeinrichtungen verbringen einen stetig wachsenden Teil ihrer Arbeitszeit mit der Dokumentation. Diese Zeit fehlt für die Behandlung und Pflege der Patienten und führt zu einer sinkenden Arbeitszufriedenheit“, so Scheffold abschließend.
Ihre Ansprechpartnerin:
Annette Baumer
Referentin für Presse und Politik
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