02.04.2012

BWKG-Pressemitteilung vom 02.04.2012

BWKG-Indikator Frühjahr 2012 - Defizitquoten verfestigen sich auf hohem Niveau
BWKG: Tarifabschlüsse überfordern Gesundheitseinrichtungen – Krankenhäuser vor Finanzloch von 160 Millionen Euro

(Stuttgart) – „Die Defizitquoten der Krankenhäuser, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen verfestigen sich auf einem erschreckend hohen Niveau“. So lautet das Fazit des Vorstandsvorsitzenden der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Thomas Reumann, der heute die Ergebnisse der Frühjahrsumfrage bei den Krankenhäusern des Landes vorstellt; es ist der fünfte BWKG-Indikator, für den halbjährlich die wirtschaftliche und personelle Situation in den Häusern abgefragt wird. In dieser ohnehin schon schwierigen Situation müssten die Einrichtungen nun auch noch mit hohen Tarifabschlüssen für das Pflegepersonal und die Ärzte fertig werden. Die Gesundheitseinrichtungen sind mit den Kostensteigerungen in 2012 schlicht überfordert. „Die gute und engagierte Arbeit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter muss fair und angemessen bezahlt werden. Die Krankenhäuser müssen dann aber auch in die Lage versetzt sein, dies zu finanzieren“, erklärt dazu der BWKG-Vorsitzende und Reutlinger Landrat Thomas Reumann.

 Die Kostensteigerungen für 2012 setzen sich folgendermaßen zusammen: plus 3,5 Prozent für das nichtärztliche Personal, mehr als 4 Prozent zusätzlich für die Ärzte sowie Sachkostensteigerungen von mindestens plus 2,5 Prozent. Das Problem dabei: Krankenhäuser, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen können ihre Preise aufgrund gesetzlicher Vorgaben nicht angemessen erhöhen - "alle Einrichtungen müssen daher einen Rechtsanspruch auf die Finanzierung der steigenden Kosten erhalten", fordert Thomas Reumann.

Bei den Krankenhäusern steht den zusätzlichen Kosten von etwa 255 Millionen Euro eine Vergütungsverbesserung von nur 95 Millionen Euro gegenüber. „Die Krankenhäuser stehen damit vor einem Finanzloch von mindestens 160 Millionen Euro in 2012“, betont der Vorsitzende. Eine Entlastung der Krankenhäuser durch den Gesetzgeber ist laut Reumann überfällig, zumal die Politik den Krankenhäusern im Land durch Sparauflagen allein im Jahr 2012 rund 65 Millionen Euro entziehe. Diese Sparauflagen seien in der Finanzkrise zur Rettung der Krankenkassen beschlossen worden. In 2012 werden sie ungeachtet der Milliardenüberschüsse der Krankenkassen unbeirrt fortgesetzt. „Das ist absurd“, so Reumann.

 Um Personalabbau zu verhindern, müsse die Politik nun schnell handeln: „In einem ersten Schritt müssen die Kürzungen für 2012 rückgängig gemacht werden“, fordert Reumann. Das Geld sei zur Rettung der Krankenkassen nicht gebraucht worden. Also müsse es schnellstmöglich den Krankenhäusern für die Versorgung der Patienten und die Bezahlung ihrer Mitarbeiter zur Verfügung gestellt werden. Reumann betont: Die Krankenhäuser forderten damit lediglich eine Gleichbehandlung. Der Bundesfinanzminister habe den Krankenkassen zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, um unzumutbare Härten durch Zusatzbeiträge zu verhindern. Weil sie nicht benötigt werden, fließen diese zwei Milliarden jetzt in den Bundeshaushalt zurück.

 In einem zweiten Schritt müsste sichergestellt werden, dass zumindest die Tarifsteigerungen in 2012 voll finanziert werden. Um die Krankenhausfinanzierung langfristig stabil und kalkulierbar zu machen, sei eine Anbindung der Krankenhausvergütung an die tatsächliche Kostenentwicklung nötig. „Der Orientierungswert, der die Kostenentwicklung in den Krankenhäusern abbildet, muss sich ab 2013 in seiner vollen Höhe auf die Vergütung auswirken“, fordert der BWKG-Vorsitzende. Dies müsse die Politik noch im Rahmen des im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Psych-Entgeltgesetzes verankern.

 Wie kritisch die finanzielle Situation in vielen Einrichtungen ist, zeigt die aktuelle BWKG-Indikator-Umfrage. Rund 60 Prozent der Krankenhäuser haben angegeben, dass sie im Jahr 2011 keinen positiven Jahresabschluss hatten (59,2 Prozent). „Die Erwartungen für die kommenden Monate sind überaus pessimistisch", sagt Reumann. Die Situation der Rehabilitationseinrichtungen ist noch schwieriger. Bei ihnen haben in 2011 mehr als drei von vier keine Gewinne gemacht (76,3 Prozent). Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen müssen auch sie mit Kostensteigerungen von über 3 Prozent fertig werden. Dabei haben sie noch nicht einmal einen Anspruch auf eine minimale Vergütungserhöhung; die Reha-Einrichtungen müssen ihre Vergütungserhöhungen einzeln mit den Kostenträgern verhandeln. „Die Einrichtung einer Schiedsstelle, die bei Auseinandersetzungen über die Höhe der Vergütung entscheiden kann, ist ein Lichtblick“, macht der Verbandsdirektor der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft, Matthias Einwag, deutlich. Allerdings sei sie nicht ausreichend, denn die Kostenträger würden bei der Belegung von Reha-Einrichtungen immer noch zu oft nach dem Preis entscheiden.

 Von den Pflegeeinrichtungen verbuchten 2011 mehr als zwei Drittel keinen Überschuss (66,8 Prozent). Damit hat sich der Trend der vergangenen Jahre fortgesetzt. Die Quoten der Pflegeeinrichtungen ohne einen Jahresüberschuss lagen in den vergangenen Jahren immer deutlich über 60 Prozent: 2008: 64,0 Prozent, 2009: 64,2 Prozent, 2010: 63,9 Prozent.

 Beim Arbeitsmarkt für Pflegekräfte und Ärzte zeichnet sich auf einem insgesamt kritischen Niveau bei Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen eine leichte Entspannung ab. Im Frühjahr 2012 rechnen 61,6 Prozent der Krankenhäuser mit Schwierigkeiten bei der Besetzung von frei werdenden Stellen im ärztlichen Bereich. Im Herbst 2011 waren dies noch 69,8 Prozent. Ähnlich ist die Entwicklung bei den Reha-Ein­richtungen: Mit Schwierigkeiten, im ärztlichen Bereich Stellen nachzubesetzen, rechnen 71,1 Prozent, bei der Herbstumfrage 2011 waren dies noch 76,9 Prozent. 

 Sehr große Probleme haben nach wie vor die Pflegeeinrichtungen. Vier von fünf rechnen auch im Frühjahr 2012 (80,8 Prozent) mit Schwierigkeiten bei der Besetzung von freien Stellen in der Pflege (Herbst 2011: 81,8 Prozent). Im Bereich Pflege gehen aktuell auch 43,6 Prozent der Krankenhäuser von Schwierigkeiten bei der Besetzung von freien Stellen aus (Herbst 2011: 42,6 Prozent), in der Reha 40,8 Prozent (Herbst 2011: 49,2%).