BWKG-INDIKATOR Herbst 2011
– Finanzielle Lage spitzt sich weiter zu
BWKG: Gesundheitseinrichtungen fordern
faire Behandlung durch die Politik
(Stuttgart) – Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) veröffentlicht heute zum vierten Mal die Ergebnisse der BWKG-INDIKATOR-Umfrage. „Die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen im Land spitzt sich immer mehr zu“, fasst Thomas Reumann, der Vorstandsvorsitzende der BWKG, die Umfrageergebnisse zusammen. Der negative Trend verfestige sich zusehends.
„Aus Solidarität mit den notleidenden Krankenkassen hatten die Gesundheitseinrichtungen in der Finanzkrise Sparauflagen hingenommen“, so der Vorsitzende, der auch Reutlinger Landrat ist. Im Jahr 2012 stünden die Einrichtungen nun aber mit minimalen Einnahmesteigerungen vor unaufhaltsam steigenden Personal- und Sachkosten. Gleichzeitig erwirtschafteten Gesundheitsfonds und Krankenkassen Milliardenüberschüsse. „Damit ist die Geschäftsgrundlage für die Einsparungen entfallen“, stellt Reumann klar. Das Geld müsste umgehend zur Versorgung der Patienten in den Gesundheitseinrichtungen eingesetzt werden. Die Bundesregierung müsse noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren zum sogenannten Versorgungsstrukturgesetz Fakten schaffen. „Die Krankenhäuser, Reha- und Pflegeeinrichtungen fordern eine faire Behandlung durch die Politik. Sie brauchen einen Rechtsanspruch auf die Refinanzierung der steigenden Kosten“, so Reumann.
Für 2011 gehen rund 65% der Krankenhäuser und jeweils etwa 80% der Reha- und Pflegeeinrichtungen davon aus, dass sie keinen positiven Jahresabschluss erreichen können. Für 2012 sind die Erwartungen in allen drei Bereichen sehr pessimistisch. Wenn nichts geschehe, fehlten allein den Krankenhäusern im Land im Jahr 2012 mindestens 210 Millionen Euro. „Das sind im Durchschnitt 700.000 Euro pro Krankenhaus in Baden-Württemberg“, so Reumann.
Erst vor wenigen Monaten hat eine gemeinsame Studie der Prognos AG und der BWKG belegt: Die Reha-Kliniken im Land sind wertvoller Wirtschaftsfaktor mit großem Zukunftspotential. „Reha ist kein Kostenfaktor, Reha rechnet sich – für die Menschen und die Sozialversicherungen“, macht Reumann klar. Um dieser Erkenntnis Rechnung zu tragen, müssten die Reha-Einrichtungen endlich einen Rechtsanspruch auf eine leistungsgerechte Vergütung erhalten. Außerdem müsste sichergestellt werden, dass jeder, der eine medizinische Reha benötigt, diese auch erhält. Dazu müssten der Budgetdeckel für Rehabilitationsleistung in der Rentenversicherung gestrichen werden und die Reibungsverluste zwischen der Kranken- und der Pflegeversicherung behoben werden. Nur unter diesen Voraussetzungen könne die Reha ihren Nutzen für die Menschen und die Sozialversicherungen auch tatsächlich entfalten.
„Die Pflegereform darf nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden“, unterstreicht der Verbandsdirektor der BWKG, Matthias Einwag. Auch bei den Pflegeeinrichtungen seien die steigenden Personal- und Sachkosten ein zentraler Grund für die immer schlechter werdende finanzielle Situation der Einrichtungen. Außerdem müssten die Altenpflegeeinrichtungen immer wieder Leistungen erbringen, die nicht ausreichend vergütet würden. Dies betreffe beispielsweise die Versorgung von Demenzkranken. „Die Politik muss jetzt handeln. Das ist sie den Menschen schuldig, die in den Einrichtungen gepflegt werden und denen, die dort arbeiten“, so Einwag.
Ergebnisse des BWKG-INDIKATORS Herbst 2011
Die Erwartungen zu den Gewinn- und Verlustrechnungen der Krankenhäuser haben sich für 2011 deutlich verschlechtert: 65 % der Krankenhäuser rechnen damit, dass sie keinen positiven Jahresabschluss erreichen können. In den Jahren 2008, 2009 und 2010 waren dies rund 55%. „Die Krankenhauslandschaft in Baden-Württemberg ist außerordentlich effizient. Diese Zahlen sind ein überdeutliches Zeichen der Unterfinanzierung“, erklärt Reumann. Die Krankenhauskosten je Einwohner und Jahr sind nach den Zahlen des RWI-Instituts mit 717 € die niedrigsten im gesamten Bundesgebiet (Bund: 803 €).
Bei den Rehabilitationseinrichtungen konnten 2008, 2009 und 2010 mindestens zwei Drittel keinen positiven Jahresabschluss verzeichnen. „Medizinische Rehabilitation ist eine Investition in die Zukunft und kein Kostenfaktor“, betont Thomas Reumann. Allerdings handeln die Rentenversicherung und die Gesetzliche Krankenversicherung seiner Meinung nach nicht unbedingt nach dieser Überzeugung.
Äußerst Besorgnis erregend sei die Situation in der geriatrischen Rehabilitation. Nur wenige der Einrichtungen haben in der Umfrage angegeben, dass sie in einem der drei Jahre schwarze Zahlen geschrieben hätten. „Wir fordern eine schnelle Sicherung der geriatrischen Versorgung im Land“, unterstreicht der Vorstandsvorsitzende. Seit Jahren werde über die Weiterentwicklung des Geriatriekonzepts des Landes nur diskutiert, nun müsse endlich auch gehandelt werden.
In den Jahren 2008 bis 2010 konnten mehr als 60% der Pflegeeinrichtungen keinen Jahresüberschuss verzeichnen. Für 2011 wird mit einer deutlichen Verschärfung der Situation gerechnet. Im Herbst 2011 gehen 80% der Pflegeeinrichtungen davon aus, dass sie 2011 keinen Jahresüberschuss verzeichnen können.
Beim Arbeitsmarkt für Pflegekräfte und Ärzte zeichnet sich auf einem insgesamt kritischen Niveau bei Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen eine gewisse Entspannung ab. Im Herbst 2011 rechnen 69,8% der Krankenhäuser mit Schwierigkeiten bei der Besetzung von frei werdenden Stellen im ärztlichen Bereich. Im Frühjahr waren dies noch 76,7%. Ähnlich ist die Entwicklung bei den Reha-Einrichtungen: Im Herbst 2011 rechnen 76,9% der Reha-Einrichtungen mit Schwierigkeiten bei der Besetzung freier Stellen im ärztlichen Bereich. Im Frühjahr 2011 waren dies noch 84,3%.
„Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass das Problem des Personalmangels damit gelöst ist“, so der Verbandsdirektor der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft, Matthias Einwag. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass es sich nur um eine temporäre Entspannung der Situation handele. Indiz dafür seien die wachsenden Schwierigkeiten der Altenpflegeeinrichtungen. Vier von fünf Pflegeeinrichtungen (81,8%) rechnen mit Schwierigkeiten bei der Besetzung von freien Stellen in der Pflege. Das Pflegepersonal muss in den Pflegeeinrichtungen so attraktive Arbeitsbedingungen vorfinden, dass es langfristig in der Pflege tätig sein will. Gleichzeitig muss der Pflegeberuf so reformiert werden, dass er den jungen Menschen eine Perspektive für ihr Berufsleben gebe, erklärt Einwag.