5.000 Krankenhausmitarbeiterinnen und -mitarbeiter demonstrieren auf dem Stuttgarter Schlossplatz
BWKG, Marburger Bund, ver.di und Landesseniorenrat protestieren gemeinsam und fordern Stabilisierung der Kliniken: Patientenversorgung, Löhne und Inflation müssen finanziert werden
Zum heutigen Protesttag mit dem Motto „Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Not“ finden Demonstrationen in Stuttgart, Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hannover, Mainz und Saarbrücken statt. Das zeigt deutlich, wie dramatisch die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser in ganz Deutschland mittlerweile ist. Die Zahl der Klinikinsolvenzen nimmt bundesweit zu. In Baden-Württemberg demonstrieren auf dem Schlossplatz in Stuttgart 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Krankenhäusern. BWKG, Marburger Bund, ver.di und der Landesseniorenrat fordern auf der Kundgebung schnelles und nachhaltiges Handeln der Bundesregierung zur Stabilisierung der Klinikfinanzen.
„Die finanzielle Situation der Krankenhäuser ist so ernst wie nie: Drei Viertel der Krankenhäuser im Land werden nach derzeitigem Stand im Jahr 2023 rote Zahlen schreiben. Die Inflation treibt die Kosten massiv nach oben und die Krankenhausfinanzierung bleibt weit dahinter zurück.“, macht der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Heiner Scheffold, deutlich. Nehme man die Jahre 2022 und 2023 zusammen, summiere sich die Inflation auf voraussichtlich 13 Prozent. Die Vergütungen der Krankenhäuser seien im gleichen Zeitraum aber nur um 6,6 % gestiegen. „Einmalzahlungen der Bundesregierung haben zwar geholfen. Sie waren aber zu niedrig und sie fallen in 2024 weg, obwohl das Kostenniveau dauerhaft gestiegen ist. Die Kliniken werden mit immer größeren Löchern in ihren Bilanzen allein gelassen“, so Scheffold weiter. Hinzu komme, dass der Bund den Krankenhäusern durch Gesetzesänderungen im Jahr 2022 viel Geld weggenommen habe. In Baden-Württemberg fehlen allein wegen dieser Änderungen dauerhaft 110 Mio. Euro pro Jahr. „Die Krankenhäuser stehen unter großem Druck und müssen sparen. Sparen bedeutet bei Krankenhäusern aber immer, dass sie ihr Angebot reduzieren müssen. Weniger Betten können belegt, weniger Termine für OPs angeboten werden. Die Menschen müssen länger auf ihre Versorgung warten und womöglich weitere Wege in Kauf nehmen“, so Scheffold weiter. „Um die Versorgung zu sichern, fordern wir die vollständige und dauerhafte Finanzierung der Inflationskosten, die vollständige Finanzierung der Tariflöhne und die Rücknahme der Kürzungen aus 2022. Die Bundesregierung muss jetzt endlich handeln und die finanzielle Situation der Krankenhäuser nachhaltig stabilisieren“, so Scheffold.
„An 365 Tagen im Jahr, rund um die Uhr, stellen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern die Versorgung der Patientinnen und Patienten sicher. Hochqualifiziertem Personal müssen aber konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen geboten werden“, so Sylvia Ottmüller, die 1. Landesvorsitzende des Marburger Bundes Baden-Württemberg. Dazu gehörten natürlich auch gute Gehälter, deren Finanzierung von der Bundespolitik in vollem Umfang sichergestellt werden müsse. „Ganz entscheidend für gute Arbeitsbedingungen ist aber auch, dass die Bürokratie auf ein erträgliches Maß reduziert wird. Bislang hat sich hier nichts bewegt und hier geht wertvolle Arbeitszeit zur Versorgung der Patientinnen und Patienten verloren“, macht Ottmüller deutlich und verweist auf eine Umfrage des Marburger Bundes Baden-Württemberg unter seinen Mitgliedern im Südwesten: Fast 60 Prozent der Ärztinnen und Ärzte sind im Durchschnitt pro Arbeitstag bis zu 30 % mit nicht-ärztlichen Verwaltungstätigkeiten beschäftigt.
„Dass die Krankenhäuser in Baden-Württemberg im Bundesvergleich hohe Personalkosten haben, kommt nicht von ungefähr“, betont Klara Ronellenfitsch, Mitglied des Vorstandes des ver.di-Fachbereichs Gesundheit und Betriebsrätin an der Universitätsmedizin Mannheim. „Die allermeisten Kliniken im Land zahlen mittlerweile nach Tarifen wie dem TVöD oder dem Tarifvertrag der Unikliniken. Tarifpolitische Erfolge dürfen kein Nachteil sein. Personalkosten müssen zwingend refinanziert werden“, so Ronellenfitsch. „Sonst würden Tarifsteigerungen anschließend über Personalabbau oder Leistungsausweitung von den Beschäftigten und Auszubildenden durch immer weiter steigende Arbeitsbelastung selbst bezahlt.“ Eine Klinik solle Patientinnen und Patienten gesund machen und nicht die Menschen, die dort arbeiten, krank. „Die Krankenhausbeschäftigten haben in den letzten Jahren bewiesen, welche Kraft sie entwickeln können. Wir werden nicht zusehen, wie Krankenhäuser geschlossen werden, weil Bundesfinanzminister Lindner kein Geld rausrücken will. Denn Krankenhäuser sind unverzichtbar, eine gute Gesundheitsversorgung ist unverzichtbar, die Beschäftigten der Krankenhäuser sind unverzichtbar“, so Ronellenfitsch weiter.
„Mehr als ein Drittel, der Personen, die ins Krankenhaus kommen, sind ältere Menschen. Sie sind auf eine qualitativ hochwertige Krankenhausversorgung in Wohnortnähe besonders angewiesen“, macht Karl-Heinz Pastoors, Stellvertretender Vorsitzender des Landesseniorenrates Baden-Württemberg (LSR BW), deutlich. Schon seit Jahren unterstütze der LSR BW Initiativen, die eine bessere Pflege und Finanzierung wollen. Gerade die Schwachen, wie Alzheimer Kranke oder hochbetagte gebrechliche Menschen, seien auf eine ortsnahe Versorgung angewiesen. „Statt die Krankenhäuser ausreichend zu finanzieren, werden sie seit vielen Jahren unter einen zunehmenden Spardruck gestellt“, so Pastoors weiter. Das habe schon negative Auswirkungen auf die Versorgung gehabt. „Die entscheidende Frage ist, wie viele Krankenhäuser das durchstehen werden. Daher brauchen wir jetzt schnell eine Lösung, damit auch zukünftig die Menschen wohnortnah versorgt werden können“, fordert Pastoors.
Die Bundesregierung muss durch ein Vorschaltgesetz umgehend eine verlässliche und faire Krankenhausfinanzierung sicherstellen. Nur so können die Kliniken ihren Versorgungsauftrag erfüllen, attraktive Arbeitgeber bleiben und finanziell über die Runden kommen.
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