Piepenburg: Der Krankenhausrettungsschirm muss unverzüglich angepasst werden
„Die Zahl der COVID-19-Patientinnen und -Patienten in den baden-württembergischen Krankenhäusern wird in den nächsten Wochen weiter steigen, da die Zahl der Neuinfektionen immer neue Höchststände erreicht. Die Krankenhäuser und ihre Mitarbeitenden brauchen dringend Entlastung. Deshalb muss der Krankenhausrettungsschirm jetzt schnell angepasst werden und zwar noch vor Weihnachten“, fordert der BWKG-Vorstandsvorsitzende, Detlef Piepenburg. Aktuell werden fast 2.300 COVID-19-Patienten in den baden-württembergischen Krankenhäusern behandelt. Mehr als 570 dieser Patienten werden intensivmedizinisch behandelt und rund 330 davon müssen sogar beatmet werden. Die Klinik-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, die sich bis an die Grenze zur Erschöpfung um die COVID-19-Patienten kümmern, brauchen jetzt Entlastung und hierfür ist ein schnelles Handeln der Politik erforderlich.
„Um eine Überlastung der Krankenhäuser und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verhindern, muss zum einen die Zahl der Neuinfektionen schnellstmöglich sinken. Deshalb ist die erneute Einschränkung des öffentlichen Lebens richtig und wir unterstützen sie. Zum anderen müssen alle Krankenhäuser, die an der Versorgung der COVID-19-Patienten mitarbeiten, auch durch die so genannte Freihaltepauschale unterstützt werden. Das ist aktuell nicht der Fall und muss schnellstmöglich geändert werden“, fordert Piepenburg. In der ersten Corona-Welle im Frühjahr hatten alle Krankenhäuser eine Freihaltepauschale erhalten. Diese sei vielleicht etwas zu breit gestreut gewesen. Die jetzige Regelung von der Bundesebene ist aber so restriktiv, dass etwa die Hälfte der Krankenhäuser, die in der ersten Welle im Land die Versorgung der COVID-19-Patienten getragen haben, keine Unterstützung mehr erhalten.
„Im Gesetz sind nun überzogene Vorgaben für die Freihaltepauschale festgeschrieben, die auch noch mit großem bürokratischem Aufwand für das Land verbunden sind“, stellt Piepenburg fest. So sei vorgesehen, dass nur Krankenhäuser der so genannten erweiterten und umfassenden Notfallstufen eine Freihaltepauschale erhalten könnten, wenn in ihrem Land- oder Stadtkreis weniger als 25 % der Intensivbetten frei sind und die Inzidenz über 70 Fällen je 100.000 Einwohner liege. Häuser der Basisnotfallstufe dürften nur bei einer verschärften Notlage und nur nachrangig beauftragt werden.
„Wegen dieser komplizierten Regelung können nur noch etwa die Hälfte der Krankenhäuser mit den Freihaltepauschalen unterstützt werden, die in der ersten Welle die Versorgung getragen haben. Und das vor dem Hintergrund, dass die Zahlen schon jetzt deutlich über dem Niveau vom Frühjahr liegen. Ich sage es in aller Deutlichkeit: Die jetzt vorgesehenen Krankenhäuser können es nicht alleine schaffen, die steigende Zahl an COVID-19-Patienten zu behandeln“, stellt Piepenburg klar. In der ersten Corona-Welle hatten 69 Krankenhäuser im Land nach der Liste des Instituts für das Entgeltsystem (InEK) eine Corona-Prämie für ihren besonderen Einsatz erhalten. Aktuell haben nur 28 Häuser im Land die Qualifikation der beiden höheren Notfallstufen. Viele Land- und Stadtkreise haben überhaupt kein Haus dieser Notfallstufe, wären also auf die Versorgung durch Kliniken in Nachbarkreisen angewiesen, die selbst ohnehin schon stark belastet sind.
„Welche absurden Folgen die Regelungen des Bundesgesetzgebers haben, zeigt ein Beispiel aus meinem eigenen Landkreis: Ausgerechnet die SLK Lungenklinik Löwenstein erhält keine Freihaltepauschalen. Grund ist, dass sie keine Notfallstufe hat“, so der BWKG-Vorstandsvorsitzende, der gleichzeitig Landrat des Kreises Heilbronn und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der SLK-Kliniken ist. „Außerdem konterkarieren die Bundesvorgaben die Bemühungen des Landes, die Belastungen der zweiten Welle auf möglichst viele Schultern zu verteilen. Die Mitarbeiter in den Kliniken sind nach neun Monaten Krise zunehmend erschöpft und die Belegschaften durch Krankheitsfälle ausgedünnt. Auch deshalb wurde im Land ein regionales Versorgungskonzept entwickelt. Das Konzept mit sechs Versorgungsregionen, in denen sich die Häuser gegenseitig helfen, kann aber nur funktionieren, wenn die Kliniken auch finanziell abgesichert sind. Dazu benötigen sie Freihaltepauschalen. Die Regelungen aus dem dritten Bevölkerungsschutzgesetz müssten kurzfristig nachgebessert werden“, so Piepenburg.
“Wir erwarten, dass das Bundesgesundheitsministerium die Regelungen jetzt deutlich vereinfacht und auch die Krankenhäuser der Basisnotfallversorgung in die Freihaltepauschale einbezieht. Darüber hinaus müssen auch internistische Fachkliniken, zu denen auch die Lungenfachkliniken gehören, unverzüglich Freihaltepauschalen erhalten. Für 2021 müssen zudem schnell verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen werden“, fordert Piepenburg.
Zum Hintergrund:
Mit dem dritten Bevölkerungsschutzgesetz wurde der zweite Rettungsschirm für die Krankenhäuser gesetzlich verankert. Ein wichtiges Instrument ist die so genannte Freihaltepauschale, die gezahlt wird, wenn Kliniken eigentlich anstehende Behandlungen reduzieren, um für die Versorgung von COVID-19-Patienten bereit zu sein. Nach dem Gesetz müssen die Länder die Kliniken bestimmen, sie haben dabei aber sehr enge Vorgaben zu beachten. Benannt werden dürfen danach nur Kliniken, die
• in einem Land- oder Stadtkreis liegen, in dem weniger als 25 % der Intensivbetten frei sind und die Inzidenz bei über 70 je 100.000 Einwohner liegt und
• die eine „erweiterte“ oder „umfassende“ Notfalleinstufung nach dem Konzept des Gemeinsamen Bundesausschusses haben (Stufen 2 und 3).
• Kliniken mit einer niedrigeren Notfalleinstufung dürfen nur nachrangig benannt werden, wenn die Anzahl der freien Intensivbetten in ihrem Bereich 15 % unterschreitet.
Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft e.V. (BWKG) ist ein Zusammenschluss von 466 Trägern mit 204 Krankenhäusern, 133 Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sowie 669 Pflegeeinrichtungen (davon 103 ambulante Pflegedienste und 49 Einrichtungen der Behindertenhilfe), die über insgesamt 120.417 Betten/Plätze sowie ambulante Behandlungskapazitäten verfügen. Die Einrichtungen beschäftigen mehr als 190.000 Mitarbeiter. Die BWKG wurde 1953 von den vier regionalen Krankenhausverbänden und –arbeitsgemeinschaften gegründet, die es damals auf dem Gebiet des heutigen Landes Baden-Württemberg gab. Sie steht Einrichtungen unabhängig von deren Rechtsform und Trägerstruktur offen. Die Mitgliedschaft ist freiwillig.
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