08.09.2008

Pressekonferenz anlässlich des Aktionsbündnisses zur Rettung der Krankenhäuser am 08.09.2008

Statement
Herr Dr. Matthias Geiser
Geschäftsführer in der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft, Stuttgart

Es gilt das gesprochene Wort

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

an der ungewöhnlichen Allianz, die Sie heute vor sich sehen, können Sie erkennen, dass die finanziellen Probleme der Krankenhäuser mittlerweile eine ganz neue Dimension erreicht haben. Normalerweise sitzen sich die Vertreter der Krankenhausträger und die Gewerkschaftsseite in harten Auseinandersetzungen gegenüber. Heute haben wir das gleiche Ziel und das darf ich auch im Namen des Kommunalen Arbeitgeberverbandes und des Verbands der Krankenhausdirektoren sagen: Wir fordern eine nachhaltige Verbesserung der finanziellen Situation der Krankenhäuser. Die Krankenhäuser brauchen sofort eine Entlastung für die aktuelle Steigerung der Betriebskosten. Mittelfristig muss die Deckelung der Krankenhausvergütung aufgehoben werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Krankenhäuser und ihre Mitarbeiter an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben.

Ohne zusätzliche finanzielle Mittel sind die Krankenhäuser zu weiteren schmerzhaften Einsparungen gezwungen. Bei einem Personalkostenanteil von 65 - 70% ist die zwangsläufige Folge noch mehr Personalabbau und noch mehr Arbeitsverdichtung. Seit 1996 wurden im Land in der Pflege 5.000 Vollzeitstellen abgebaut. Das spüren die Patienten und das spürt das Personal. Die Belastungsgrenze ist ganz eindeutig erreicht.

Die Mitarbeiter der Krankenhäuser müssen für ihre guten Leistungen auch gutes Geld bekommen – das wollen auch die Krankenhausträger. Wenn die Personalkosten steigen, können die Krankenhäuser aber - anders als die Deutsche Bahn - die Preise nicht erhöhen. Daher brennt den Krankenhäusern die Frage, wie die Tarifabschlüsse finanziert werden sollen, ganz besonders auf den Nägeln.

In den Jahren 2008 und 2009 führen die Tarifabschlüsse zu Personalkosten­steigerungen von 8%. Zusammen mit den steigenden Sachkosten tut sich in Baden-Württemberg in diesem Zeitraum bei den Betriebskosten eine Deckungslücke von 600 Millionen Euro auf. Und dabei sind die Einnahmesteige­rungen durch die Grundlohnrate schon berücksichtigt. Diese finanzielle Lücke können die Krankenhäuser nicht durch weitere Einsparungen schließen. Sie muss von der Politik geschlossen werden – und zwar vollständig. Alle Summen, die bisher im Gespräch sind, reichen dazu hinten und vorne nicht aus.

Um in Zukunft zu verhindern, dass die Krankenhäuser immer wieder in derart prekäre finanzielle Situationen geraten, muss die Krankenhausfinanzierung mittelfristig auf eine neue Basis gestellt werden. Die Deckelung der Krankenhauseinnahmen, die seit 15 Jahren besteht, muss aufgehoben werden. Denn die gesetzlich zugestandenen Zuwachsraten sind seit Jahren absolut unzureichend, während die Kostensteigerungen ein Vielfaches betragen. Und als reiche das nicht aus, hat die Politik mit willkürlichen Kürzungen für weitere Belastungen der Krankenhäuser gesorgt. Daran ändert auch die Veränderungsrate für 2009 nichts, die mit 1,41% erstmals seit 2003 wieder über einem 1% liegt.

Die Erkenntnis, dass es den Krankenhäusern finanziell schlecht geht, hat sich mittlerweile auf allen Ebenen der Politik durchgesetzt. Das ist schon ein Erfolg, da sich insbesondere die Bundesgesundheitsministerin lange geweigert hat, den Tatsachen ins Auge zu blicken.

 

Was die Politik allerdings aus dieser Erkenntnis macht, ist mehr als beunruhigend: Die Bundesgesundheitsministerin hat die dringend notwendige kurz- und langfristige Entlastung der Krankenhäuser in ein außerordentlich komplexes Gesetzgebungsverfahren zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung eingebunden. Das Gesetz kann aufgrund der anstehenden schwierigen Beratungen in diesem Jahr möglicherweise gar nicht mehr verabschiedet werden - Zumal es bei den Regelungen zur Investitionsförderung weit in die Kompetenzen der Länder eingreift und von diesen logischerweise abgelehnt wird.

Für die Verknüpfung von finanziellen Entlastung und Investitionsförderung gibt es keinerlei sachlichen Grund. Die Bundesgesundheitsministerin will sie als Hebel benutzen, um die Länder zu unzumutbaren Eingeständnissen zu zwingen. Das Gesetz soll durchgepeitscht werden, weil die Krankenhäuser die finanzielle Entlastung sofort brauchen. Wenn das Gesetz dann scheitert, wird die Schuld für die Unterfinanzierung der Krankenhäuser den Ländern zugeschoben. Das sogenannte Kompromissangebot, das die Bundesgesundheitsministerin am Freitag vorgelegt hat, passt hier genau ins Bild. Denn es enthält weiterhin Neuregelungen der Investitionsfinanzierung – auch wenn deren Ausgestaltung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe überlassen werden soll.

 Es darf nicht sein, dass den niedergelassenen Ärzte großzügig 2,5 Milliarden Euro zusätzlich zugestanden werden, während die Krankenhäuser zwischen den Interessen der Bundesgesundheitsministerin und der Länder aufgerieben werden und am Ende womöglich in die Röhre gucken.

 Wir fordern von der Politik eine Entkoppelung: Die sofortige Entlastung der Krankenhäuser für die steigenden Kosten, die Abschaffung des Sanierungsbeitrags und der Anschubfinanzierung für die integrierte Versorgung muss umgehend beschlossen werden. Das Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen mit der mittelfristigen Entlastung der Krankenhäuser und der Investitionsfinanzierung muss in einem geordneten Verfahren beraten werden.

Um das zu erreichen, gehen die Krankenhäuser mit ihren Mitarbeitern am 25. September 2008 in Berlin auf die Straße. Wer die Krankenhäuser kennt, weiß, dass sie sich mit derart öffentlichen Aktionen durchaus schwer tun. Das große Engagement der Mitarbeiter und Krankenhausleitungen zeigt, dass wirklich eine Schmerzgrenze überschritten wurde und alle am gleichen Strang ziehen.